Argumente gegen Parolen 2019-02-07T15:45:31+02:00

Argumente gegen Parolen

Um Stammtischparolen zu entkräften, braucht es kein Studium. Aber es schadet nicht, sich gedanklich schon einmal damit befasst zu haben. Ein Argumentationstraining gegen Stammtischparolen kann dabei helfen. Klassischerweise steht dabei ein Rollenspiel im Mittelpunkt, das dabei helfen soll, typische Argumentationsmuster von Parolen zu erkennen, um danach zu überlegen, wie man darauf am besten reagiert.

Wer Stellung beziehen möchte, die oder der sollte natürlich nicht nur wissen, wie das am besten geschieht. Je besser es um das eigene Wissen steht, desto besser lässt sich natürlich argumentieren.

Zu vier „Klassikern“ der Stammtischparolen findest Du oben rechts Hintergrundinformationen.

Kartoffeln, Blasmusik, Gartenzwerge. Typisch deutsch. Oder? Tatsächlich kommt die Kartoffel aus Südamerika und wurde von den spanischen Eroberern nach Europa gebracht. Blasmusik und Gartenzwerge haben ihren Ursprung in der Türkei. Das vermeintlich „typisch“ Deutsche entspringt also verschiedenen kulturellen Einflüssen, die sich über Jahrhunderte hinweg zu dem entwickelt haben, womit wir uns heute identifizieren. Jede Gesellschaft ist das Produkt jahrhundertelanger Migrationsgeschichte, deren Menschen für den Erhalt und die Weiterentwicklung des kulturellen und sozialen Lebens von großer Bedeutung sind.
Im Jahr 2015 lebten in Deutschland ca. 9, 1 Millionen Ausländerinnen und Ausländer. Dies entspricht einer Quote von 11% der Gesamtbevölkerung.
Derzeit sind fast 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Die Meisten fliehen in ihre Nachbarländer. Nur wenige schaffen es nach Europa. 86% der Schutzsuchenden werden von Entwicklungsländern aufgenommen. Im Jahr 2015 hat die Türkei fast 2 Mio. syrische Geflüchtete aufgenommen. In Deutschland sind im selben Jahr 1,1 Mio. Geflüchtete durch das EASY (Erstverteilung von Asylbegehrenden) System registriert worden. Diese Zahl ist allerdings wenig aussagekräftig, da es eine unbekannte Zahl an Fehl- und Doppelregistrierungen gibt. Viele Geflüchtete haben Deutschland außerdem nur für die Weiterreise in andere europäische Länder genutzt. Einen Asylerstantrag in 2015 haben folglich 442.000 Menschen gestellt. (Quelle Statista, ProAsyl)
Hier wird sich oft auf die polizeiliche Kriminalstatistik bezogen. 2011 waren 22,9% der registrierten Tatverdächtigen „Nichtdeutsche“. Die Statistik zählt jedoch nur die Verdächtigen, nicht aber die Verurteilten einer Straftat. Als ausländisch wahrgenommene Personen stehen häufiger unter falschem Tatverdacht als Deutsche. Die Ermittlungen zu den NSU-Morden haben das erschreckend deutlich gemacht: Zehn Jahre lang wurden die türkischen oder griechischen Angehörigen der Opfer von der Polizei als mutmaßliche Täterinnen und Täter behandelt, während es tatsächlich deutsche Rassistinnen und Rassisten waren – sie aber blieben von der Polizei lange unbehelligt. Die Statistik unterscheidet außerdem ebenfalls nicht zwischen in Deutschland lebende Ausländer/-innen und Durchreisende, wie etwa Touristinnen und Touristen. 2016 wurden erstmals flächendeckende Statistiken zu Straftaten durch Asylbewerber erhoben. Der Bericht des BKA machte deutlich, dass die Gruppe der Geflüchteten nicht mehr Straftaten begeht als andere. Die Kriminalitätszahlen bei Geflüchteten sind sogar im aktuellen Jahresverlauf rückläufig.
(Quelle: ProAsyl, Bundeskriminalamt)
Du könntest fragen: Wer ist eigentlich mit „die“ Ausländer gemeint? Der/die amerikanische Manager/-in? Der italienische Mode-Designer? Die iranische Kioskbesitzerin? … Die Arbeitslosenquote der ausländischen Bevölkerung ist höher als bei den Deutschen (9,4% %, bzw. 4,3%, Stand 2014). Welche Arbeitsplätze nehmen sie uns dann weg?
Es gibt Berufe und Bereiche, die von den Deutschen selten oder ungern ausgeübt werden, z. B. aufgrund schlechter Bezahlung oder langer Arbeitszeiten. Ohne ausländische Arbeitskräfte würden z.B. Müllentsorgung, Gastronomie und der Pflegebereich zum Erliegen kommen. Außerdem ist die Arbeitslosenquote in den Bundesländern mit dem höchsten Ausländeranteil (Baden-Württemberg und Bayern) am niedrigsten, während die Arbeitslosenquote in Bundesländern mit geringem Ausländeranteil (z. B. Sachsen) am höchsten ist.
Durch den demographischen Wandel sowie den Fachkräftemangel sind wir auf Einwanderinnen und Einwanderer angewiesen, um weiterhin auf eine konkurrenzfähige Wirtschaft und auf ein funktionierendes Renten- und Sozialsystem zurückgreifen zu können.
Zuletzt könnte man fragen, welche Ausländerinnen und Ausländer die Arbeitsplätze wegnehmen? Die chinesische Näherin, die für einen Hungerlohn unsere Kleidung produziert? Die indischen Kinder, die in Fabriken Billigspielzeug herstellen? Wer entscheidet, dass Konzerne ihre Produktionsstätten in Länder Osteuropas oder China auslagern, um dann zu Niedrigpreisen verkaufen zu können? Inwieweit ist man also selbst durch das eigene Konsumverhalten am Verlust von Arbeitsplätzen beteiligt?
(Quelle: Online-Beratung gegen Rechtsextremismus, Mediendienst Integration)
Hauptherkunftsländer der Asylbewerber in der ersten Jahreshälfte 2016 waren Syrien (140.926), Irak (44.656) und Afghanistan (41.298) und mittlerweile auch Russland (3.868). Ihre Staatsbürger flohen aufgrund von Krieg und politischer Verfolgung. Wirtschaftsflüchtlinge sind jedoch Menschen, die ihr Heimatland aus existenziellen Gründen verlassen. Armut und Hunger nähren den Wunsch auf ein besseres Leben im europäischen Ausland. Besonders die berufliche Perspektivlosigkeit treibt viele (junge) Menschen vor allem aus den Balkanstaaten nach Deutschland. Da Länder wie der Kosovo oder Albanien jedoch als „sichere Herkunftsstaaten“ deklariert wurden und Armut und politische Unzufriedenheit laut Genfer Flüchtlingskonvention nicht als asylrelevante Gründe gelten, stehen die Chancen auf eine Bewilligung des Asylantrags gleich Null. Ein Schnellverfahren sorgt dafür, dass die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge schnellstmöglich abgeschoben werden. Jedoch wird dabei nicht berücksichtigt, dass der Kosovo das ärmste europäische Land ist, dessen Arbeitslosenquote bei 35% liegt. Vor allem Roma werden in den Balkanstaaten unterdrückt und diskriminiert. Sie erhalten keine Wohnung, haben kaum Zugang zu Bildung und zum Gesundheitssystem. Im ersten Halbjahr 2015 wurden 23.000 Asylanträge aus dem Kosovo gestellt – 22 Anträge wurden bewilligt.
(Quelle: Mediendienst Integration 2015; Statistisches Bundesamt 2016)

 

Argumentationshilfen

Allgemein

Aktuelle Nachrichten und Informationen über den rechten Rand

Hate Speech

Opferberatung

Literatur

  • Klaus-Peter Hufer: Argumentationstraining gegen Stammtischparolen. Materialien und Anleitungen für Bildungsarbeit und Selbstlernen, Schwalbach/Ts 2001
  • Klaus-Peter Hufer: Argumente am Stammtisch.
    Erfolgreich gegen Parolen, Palaver und Populismus,
    Schwalbach/Ts. 2006
  • Rolf Gloel: Gegen Rechts argumentieren lernen,
    Hamburg 2005
  • Markus Tiedermann: „In Auschwitz wurde niemand vergast.“
    60 rechtsradikale Lügen und wie man sie widerlegt,
    München 2000
  • Jonas Lanig u.a.: Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg: Rechtsradikale Propaganda und wie man sie widerlegt,
    Mühlheim an der Ruhr 2005

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