Jürgen Seifert

Am Sonntag, den 9. Juli 2000, schlugen fünf Rechtsradikale den Obdachlosen Jürgen Seifert in einem Wismarer Abrisshaus tot.

Der 52-jährige und gehbehinderte Seifert war seit einiger Zeit obdachlos und lebte in der Gemeinschaftsunterkunft Haffburg. Der damalige Heimleiter Hartmut Möller beschrieb ihn als „friedlichen Mensch, von dem niemals Gewalt ausging“. Nachts zog sich Seifert häufiger in ein leer stehendes Abrisshaus am Kagenmarkt zurück.

Hier fielen die 19 bis 22 Jahre alten Täter über Seifert her. Bernd J., Norman A., Sven S., Kay B. und Michael M. hatten in der Nacht zum 9. Juli den Geburtstag eines späteren Täters gefeiert. Als einem von ihnen das Geld ausgegangen sei, habe er vorgeschlagen, sich in einem der leer stehenden Abrisshäuser Geld von Obdachlosen zu erpressen. Sie fanden Seifert als ersten vor und schlugen auf ihn ein, als er ihnen kein Geld geben konnte. Verletzt ließen sie Seifert liegen und stießen auf einen weiteren Obdachlosen. Weil dieser aber einen der Täter kannte und ihn mit Namen ansprach, ließen sie von ihm ab. Später kehrten sie zu Seifert zurück und gaben sich als Polisten aus. Nachdem Seifert von dem Überfall erzählte, schlugen und traten sie wieder auf ihn ein. Dabei warfen sie einen Tisch und einen Schrank auf Seifert und einer der Täter sprang ihm auf den Kopf. Mit Hirnblutungen, Rippenbrüchen, einer Herzzerreißung, Organquetschungen und zahlreichen Hämatomen ließen sie Seifert liegen. Die an Kopf und Körper zugefügten Verletzungen hätten jeweils für sich genügt, den Tod herbeizuführen. Auf dem Rückweg schlugen die fünf noch einen weiteren Mann zusammen, weil auch er ihnen kein Geld hatte geben können. Erst drei Tage später wurde Seiferts Leiche gefunden.

Am 14. Juli konnte die Polizei die fünf jungen Männer festnehmen. Nachdem sie noch am selben Tag gestanden hatten, Seifert geschlagen und getreten zu haben, kamen sie wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. Im Gedenken an Seifert zogen am 16. Juli 2000 zogen rund 200 Menschen in einem Trauermarsch durch Wismar.

Der Prozess begann am 1. März 2001 vor dem Landgericht Schwerin. Am 27. Juni 2001 verkündete das Gericht das Urteil gegen die fünf Angeklagten und legten allen versuchten Raub und schwere Körperverletzung zur Last. Darüber hinaus sah die Dritte Strafkammer Landgericht Bernd J. als Haupttäter an und verurteilte ihn wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Auch Norman A. wurde wegen Mordes zu sechs Jahren und sechs Monaten Jugendhaft verurteilt. Sven S. wurde wegen Totschlags zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt, Kay B. wegen Totschlags zu sechs Jahren. Bei Michael M. erkannte das Gericht wegen starker Trunkenheit eine verminderte Schuldfähigkeit und verurteilte ihn zu vier Jahren und drei Monaten Haft.

Anders als die Staatsanwaltschaft konnte das Gericht eine rechte Gesinnung und einen grundsätzlichen Hass auf Obdachlose nicht als Motiv für die Tat erkennen. Staatlichen Behörden gilt der Angriff auf Seifert bis heute nicht als rechtsmotivierte Tat. Auch ein lokales Gedenken gibt es bislang nicht.

By | 2022-07-06T15:22:10+02:00 Juli 6th, 2022|Rechte Gewalt|0 Comments