Am 22. August 1980 stirbt 22-jährige Nguyễn Ngọc Châu kurz vor 9:00 Uhr morgens auf der Intensivstation des AK Wandsbek. Wenige Stunden zuvor hatten zwei Mitglieder der rechten Terrororganisation „Deutsche Aktionsgruppen“ mit Molotowcocktails einen Brandanschlag auf Châus Unterkunft für Schutzsuchende in der Halskestraße in Hamburg verübt und dabei genau sein Zimmer getroffen. Am 31. August starb auch sein Zimmergenosse Đỗ Anh Lân (18) im Unfallkrankenhaus Boberg an den schweren Verletzungen. Den Anschlag hatten Raymund Hörnle (50) und Sibylle Vorderbrügge (24) verübt. Durch eine Meldung im „Hamburger Abendblatt“ vom 21. August 1980 hatten die beiden Rechtsterrorist*innen von der Unterkunft in der Halskestraße 72 erfahren.
Kurz nach Mitternacht des 22. August 1980 schmierten Vorderbrügge und Hörnle zunächst „Ausländer raus“ an die Wand der Unterkunft. Danach schleuderten sie drei Molotowcocktails durch ein Fenster im Hochparterre. Die Brandsätze landeten im Zimmer 34, wo Lân und Đỗ schliefen. Weil die jungen Männer abgeschlossen hatten, konnten die anderen Schutzsuchenden erst helfen, als es Lân brennend und blutend gelang, die Tür zu öffnen. Châu mussten die Helfer aus seinem verkohlten Bett in den Flur ziehen.
In Saigon hatte Châu als Lehrer unterrichtet, bevor er im Frühjahr 1980 nach einer zehntägigen Flucht im südchinesischen Meer vom Rettungsschiff Cap Anamur von einem überfüllten Kahn gerettet wurde. Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Lager in Singapur landete er mit 42 weiteren Schutzsuchenden am 15. April 1980 am Hamburger Flughafen.
Am 1. September 1980 nahm die Polizei Vorderbrügge und Hörnle in Hannoversch Münden fest. 16 Monate später begann im Januar 1982 vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht der Prozess gegen die sogenannten „Deutschen Aktionsgruppen“. Nach fünf Monaten verurteilte das Gericht Vorderbrügge und Hörnle am 28. Juni 1982 wegen zweifachen Mordes und versuchten Mord in mehrfachen Fällen zu lebenslänglicher Haft. Inzwischen haben die beiden ihre Haft abgesessen.
Châu und Lân wurden auf dem Öjendorfer Friedhof begraben. Ca. 400 Menschen nahmen an der Trauerfeier für Nguyễn und Lân teil, bei der Hans-Ulrich Klose, Hamburgs Erster Bürgermeister, eine Trauerrede hielt.
Dennoch geriet der Mord an Châu und Lân schnell in Vergessenheit. 2014 gründete sich die „Initiative für ein Gedenken an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân“. Doch bis heute erinnert an dem Haus in der Halskestraße weder Tafel noch Gedenkstein an den tödlichen Anschlag. Auch die Forderung der Initiative nach einer Umbenennung der Halskestraße und einer nahegelegenen Bushaltestelle wurden bislang nicht erfüllt. Nur am Öjendorfer Friedhof erinnert inzwischen eine Gedenksäule an Châu und Lân – in der Nähe ihrer schon vor Jahren ausgehobenen Grabstellen.