Am 21. Dezember 1985 greifen Skinheads Ramazan Avci, 26, an und verletzten ihn dabei so schwer, dass er drei Tage später an den Folgen des Angriffs im AK St. Georg stirbt. Avcis Verlobte war zu diesem Zeitpunkt hochschwanger.
Nachdem der 26-Jährige den Abend mit seinem Bruder und einem Freund verbracht hatte, machten sich die drei Männer auf dem Heimweg. Sie warteten um ca. 22:45 Uhr an der S-Bahn-Station Landwehr auf einen Bus, als in der gegenüberliegenden Eckkneipe „Gaststätte Landwehr“ rechte Skinheads der sogenannten „Lohbrügge Army“ (LA) auf Avci und seine Begleiter aufmerksam wurden. Informationen der Ermittlungsbehörde zufolge befanden sich zu dem Zeitpunkt ca. 20 bis 30 Skinheads in der Kneipe. Kurz darauf bedrängen die Skinheads Avci und seine zwei Begleiter. Um sich zu verteidigen versprüht Avci Tränengas und die drei Männer flüchten vor den Rechtsradikalen.
Fünf Skinheads nahmen mit dem Auto von Norbert B. (23). die Verfolgung auf und beschossen die Flüchtenden aus dem Auto mit Leuchtkugelmunition. Avcis Bruder und dem gemeinsamen Freund gelang es, in einem Bus zu flüchten. Avci versuchte über die Wandsbeker Chaussee zu entkommen. Dabei wurde er jedoch von einem Auto erfasst und zu Boden geschleudert. Seine Verfolger Ralph L. (21), Uwe P. (18), Volker K. (19) und Rene W. (18) schlugen mit einem Axtstiel, einer Holzkeule und einem Gummiknüppel auf den am Boden liegenden Avci ein. Dadurch zertrümmerten sie ihm den Schädel und Avci verlor das Bewusstsein. Trotzdem traten sie weiter auf ihn ein und sprangen ihm gegen den Kopf. Schwer verletzt kam Avci ins Krankenhaus und starb drei Tage später, weil sich Schädelsplitter in das Gehirn gebohrt hatten, als die Nazis weiter auf ihn einprügelten.
Zehn Tage nach Avcis Tod wird sein Sohn geboren und nach seinem Vater benannt: Ramazan.
300 Menschen nahmen von Avcis Leiche Abschied, als seine Leiche am 31. Dezember 1985 in die Türkei überführt wurde – an dem Konvoi des Leichenwagens von Ohlsdorfer Friedhof zum Flughafen beteiligten 100 Fahrzeuge.
Rund 10.000 Menschen demonstrierten am 10. Januar 1986 in Hamburg gegen Rassismus und ziehen von der Gaststätte „Landwehr“ an der Landwehr 39 bis zum Gerhard-Hauptmann-Platz.
Kurz nach der Demonstration kündigten die Besitzer der Eckkneipe „Gaststätte Landwehr“ und der Skinhead-Treffpunkt musste schließen.
Der Prozess gegen die fünf Täter begann am 15. Mai 1986 vor dem Hamburger Landgericht. Im Laufe des Prozesses stellt sich heraus, dass ein Polizeibeamter einen der Täter zunächst hatte laufen lassen, weil er ihn durch seinen Sohn, der ebenfalls ein Skinhead war, persönlich kannte. Das gegen den Beamten eingeleitete Ermittlungsverfahren wird jedoch später eingestellt.
Am 1. Juli 1986 verurteilte das Hamburger Landgericht die fünf Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Totschlags bzw. gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge zu Haftstrafen zwischen einem und zehn Jahren. Anders als vom damaligen Ersten Bürgermeister Klaus von Dohnanyi versprochen, konnte der Prozess gegen die Skinheads nicht zur vollständigen Aufklärung beitragen. Denn das Gericht erkannte in dem „oberflächlichen Nationaldenken“ und der „latenten Abneigung gegen Ausländer“ nicht das Hauptmotiv der Täter. Die Richter stuften die Tat auch nicht als Mord ein, da der Angriff weder aus „niederen Beweggründen“ (Rassismus) geschehen noch „grausam“ gewesen sei – schließlich sei Avci schon nach den ersten Schlägen bewusstlos gewesen.
25 Jahre nach seinem Tod gründete sich eine Initiative zum Gedenken an Avci und forderte unter anderem die Umbenennung des Bahnhofvorplatzes und eine Gedenktafel. Im Dezember 2012 wurde ein Platz vor dem S-Bahnhof Landwehr zu seinem Gedenken in Ramazan-Avci-Platz umbenannt.
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