In der Nacht zum 18. Januar 1996 sterben sieben Kinder und drei Erwachsene, als ein Brandanschlag auf ihre Unterkunft für Geflüchtete in der Hafenstraße 52 verübt wird. 38 weitere Personen werden durch das Feuer verletzt.
In dem ehemaligen Seemannsheim an der Ecke Hafenstraße/Konstinstraße befand sich bis zur Brandnacht eine zu dem Zeitpunkt seit zehn Jahren vom Diakonischen Werk betriebene Unterkunft für Gelüchtete. Das Feuer in der Hafenstraße wird zwischen 3:00 und 3:40 gelegt. Um 3:41 erreicht der Anruf von Francoise Makodila die Notrufzentrale, doch noch im Laufe des Gesprächs bricht der Kontakt zu ihr ab. Makodila erstickt mit ihren fünf Kindern Christine, Miya, Christelle, Legrand und Jean-Daniel Makodila in ihrer Wohnung im zweiten Stock. Im zweiten Stock erstickt auch der 17-jährige Rabia El Omari in seinem Zimmer. Er hatte noch seine Familie warnen können, bevor er an den Rauchgasen starb.
Um 3:47 erreicht die Feuerwehr den Tatort. Weil das Erdgeschoss und das Treppenhaus in Flammen stehen, retten sich mehrere Bewohner*innen des Hauses über einen Sims auf das Dach. Dabei stürzen Monique Bunga und ihre siebenjährige Tochter Nsuzana ab. Bunga ist sofort tot, ihre Tochter stirbt einige Stunden später im Krankenhaus.
Als das Feuer fast gelöscht ist, findet die Feuerwehr die locker in Draht eingewickelte und verbrannte Leiche von Sylvio Bruno Comlan Amoussou. Obwohl nicht endgültig geklärt werden konnte, woran der 27-Jährige starb, und stattdessen weitere Untersuchungen angeraten worden waren, gab die Staatsanwaltschaft die Leiche am 29. Januar 1996 zur Feuerbestattung frei.
Noch in der Brandnacht kontrollierte die Polizei die Personalien von drei Männern, die das Geschehen aus einiger Entfernung beobachten: René B., Maik W. und Heiko P. aus Grevesmühlen in Mecklenburg-Vorpommern. Maik W. macht zunächst falsche Angaben und gibt „Müller“ als Nachnamen an. Im Laufe des Tages werden die drei in Grevesmühlen festgenommen und nach Lübeck zum Verhör gebracht. Am Abend des 17. Januar 1996 wird mit Dirk T. ein vierter Verdächtiger in Grevesmühlen festgenommen. Bei drei der vier Männer stellt die Polizei frische Haarversengungen fest.
Zwei Tage später, am 19. Januar, werden die vier Grevensmühlener Nazis aus dem Gewahrsam entlassen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hätten die Grevesmühlener Männer über ein Alibi für die wahrscheinliche Tatzeit verfügt. Außerdem sei das Feuer nach ersten Erkenntnissen eines Brandgutachtens nicht von Außen sondern viel mehr von Innen gelegt worden. Am 8. Mai 1996 werden die Ermittlungen gegen die vier erstmals eingestellt.
Stattdessen wird am 20. Januar Safwan E. von der Polizei verhaftet. Der 21-jährige Libanese wurde zunächst durch die Aussage des Rettungssanitäters Jens L. belastet, der angab, dass E. ihm gegenüber die Tat mit den Worten „Wir waren es“ gestanden habe. Dem Sanitäter zufolge habe E. angegeben, aufgrund vermeintlicher Streitigkeiten in der Hausgemeinschaft Brandbeschleuniger im ersten Stock verschüttet und anschließend das Feuer entzündet zu haben.
Nach 5 Monaten Untersuchungshaft kommt E. mangels hinreichendem Tatverdacht und plausiblen Motiv frei. Dennoch beginnt am 16. September 1996 vor dem Landgericht Lübeck ein Prozess gegen E. Das Gericht sieht eine Schuld von E. jedoch nicht als hinreichend erwiesen an und spricht ihn am 30. Juni 1997 frei. Zwei Jahre kommt es vor dem Kieler Landgericht zu einem Revisionsverfahren gegen E., an dessen Ende selbst die Staatsanwaltschaft einen Freispruch fordert. Am 2. November wird E. endgültig vom Vorwurf der Brandstiftung freigesprochen.
Im Februar 1998 gestand Maik W. zunächst gegenüber einem JVA-Beamten in Neustrelitz, wo er wegen anderer Delikte einsaß, dass er „zusammen mit seinen drei Freunden das Feuer gelegt“ habe. Doch bevor die Ermittlungen gegen die vier Grevesmühlener wieder aufgenommen werden, widerruft W. sein Geständnis. Als „Der Spiegel“ wenige Monate später ein Interview mit ihm führt, belastet er sich und die anderen drei Grevesmühlner abermals und wiederholt diese Aussage später auch noch einige Mal, um sie in der Regel zu widerrufen. In den folgenden Jahren versucht E. Rechtsanwältin Gabriele Heinecke mehrmals, die Ermittlungen gegegen die vier Nazis wieder aufnehmen zu lassen, und scheitert 2002 mit ihrem Antrag auf Klageerzwingung. Als es im Zuge der Selbstenttarnung des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) erneut versucht wird, die Ermittlungen wieder aufzunehmen, teilt der Schleswig-holsteinische Justizminister Emil Schmalfuß mit, dass es „keine neuen Erkenntnisse [gäbe], die eine Aufnahme von Vorermittlungen der gar Ermittlungen rechtfertigen würden.“
Wer für den Brandanschlag und die zehn Toten der Hafenstraße 52 verantwortlich war, konnte daher bis heute nicht gerichtsfest ermittelt werden.
Am 1. Dezember 1997 wurde die Brandruine abgerissen. Am 20. Mai 2000 wurde vor Ort ein Gedenkstein eingeweiht, der 2013 und 2018 geschändet wird. Infolge des Brandes fand sich ein Unterstützer*innenkreis zusammen, der sich für die Bewohner*innen der Hafenstraße und die Aufklärung der Tat einsetzte.
Aus einem ersten Unterstützer*innenkreis, der sich infolge des Brandes für die überlebenden Bewohner*innen und die Aufklärung der Tat einsetzte, entstand 1996 das Lübecker Flüchtlingsforum. Das Flüchtlingsforum organisiert u. a. Gedenkfeiern an die Toten und Betroffenen er Hafenstraße. Aus dem Umfeld des Flüchtlingsforums wiederum gründete sich die Initiative Hafenstraße ’96, die seitdem um dem 18. Januar herum gemeinsam mit dem Flüchtlingsforum eine Gedenkwoche organisieren.