Wie erkennt man eigentlich online, ob jemand rechtsradikal ist? Was passiert, wenn man den Content erst total witzig findet – und dann plötzlich merkt, dass dahinter eine rechtsradikale Ideologie steckt? Und welche Emojis verraten, dass rechte Influencerinnen gezielt Stimmung machen? Radikalisierung findet längst nicht mehr im Hinterzimmer statt, sondern mitten in unseren Feeds: auf Instagram, WhatsApp, TikTok, YouTube und allen möglichen anderen Plattformen. Dort, wo wir sonst lachen, chatten, scrollen, Events entdecken und uns inspirieren lassen, entsteht gleichzeitig ein Schauplatz, den jede*r nutzen kann – auch rechtsradikale Akteur*innen. Ausgerechnet die Orte, die einen demokratischeren öffentlichen Raum schaffen sollen als jede analoge Fußgängerzone, werden so zur Bühne für Menschen, die genau diese Demokratie untergraben wollen.
Soziale Medien sind von Grund auf partizipativ, sie lassen alle zu Wort kommen – oder etwa nicht? Wie kann es sein, wenn wir doch theoretisch alle gleichermaßen mitreden können, dass gerade diejenigen online Gehör finden, die gegen gleichberechtigte Teilhabe und Mitbestimmung sind? Hier findet Ihr ein paar hilfreiche Tipps zur Erkennung von rechter Hetze im Netz, Hintergründe und Folgen der rechten Online-Radikalisierung und auch noch ein paar Beratungsstellen in Hamburg zum Thema Rechtsradikalismus.
Soziale Medien sind digitale Plattformen zum weltweiten Teilen von Inhalten und zur Kommunikation. Anders als bei anderen (sozusagen unsozialen) Medien, ist Echtzeit-Interaktion auf den Plattformen möglich. Das bedeutet, es kann geliked, kommentiert und geteilt werden. Das ist toll, weil Meinungsaustausch, Kontaktpflege und Teilhabe dadurch ermöglicht werden. Eigentlich ein total demokratisches Konzept, oder? Wie kann es da sein, dass dort, wo alle mitreden können, Hass und Hetze einen Platz finden?
Die Videos und Posts mit den radikalsten Inhalten erhalten die meisten Clicks. Daher werden radikale Inhalte (egal ob rechts-, links- oder anderweitig radikal) auch mehr in unseren Feeds angezeigt. Dadurch können rechtsradikale Influencer*innen unkontrolliert Hassrede und Verschwörungserzählungen verbreiten. Wenn nun ein lustiges Video hereingespült wird, in dem ein sympathischer junger Mensch eine Straßenumfrage durchführt, denkt niemand sofort an rechte Hetze. Im Gegenteil, die rechten Akteur*innen wirken meist sehr sympathisch und sie sprechen ihre menschenfeindlichen Positionen meist nicht sofort offen aus.
Rechte Akteur*innen gehen gezielt auf die Suche nach jungen Menschen, die sie für ihre Themenschwerpunkte begeistern können. Durch Online-Rekrutierung und digitale Subkulturen entstehen rechte Online-Communities. In diesen Communities entwickeln sich ganz eigene Symbole, Memes und Codes – lustiger und leichter Content, der manchmal auf den ersten Blick ganz harmlos und sogar ansprechend wirkt. Dieser Content kann rechtsradikale Meinungen normalisieren und bietet Anknüpfungspunkte.
So schleicht sich die Demokratiefeindlichkeit also in den Feed von ganz normalen Nutzer*innen und macht rechte Hetze salonfähig. Wir haben hier mal ein paar Emojis gesammelt, die in bestimmten Kontexten zu Symbolen der rechtsradikalen Popkultur geworden sind. Doch bitte beachtet: Diese Emojis müssen nicht unbedingt diese Bedeutung haben, es ist stets wichtig auf den Kontext zu achten. Wenn jemand eine Kiwi isst und dazu ein Kiwi Emoji
postet, hat dies sicherlich keine tiefere Bedeutung. In einem politischen Kontext steht die Kiwi
allerdings für Transfeindlichkeit.
⚡⚡ Das Blitz-Emoji wird normalerweise für Energie und Aufregung genutzt. Zwei Blitze nebeneinander werden von Rechtsextremist*innen als Code für die Siegrune der SS verwendet, die in Deutschland verboten ist.
Wie oben beschrieben, wird die Kiwi als Symbol für Transfeindlichkeit verwendet, da Kiwis angeblich für Zweigeschlechtlichkeit stehen.
Alles ok – oder auch nicht? In einigen rechtsextremen Kreisen wird dieses Symbol für die angebliche Überlegenheit von weißen Menschen genutzt.
Der Milch-Emoji wird verwendet, um eine vermeintliche weiße Überlegenheit zu betonen.
Die sonst so harmlose hundert, die für 100% Zustimmung genutzt wird, wird symbolisch für „rein weiße Abstammung“ genutzt.
Dieses Emoji wird als Symbol für den Hitlergruß missbraucht.
Tiere werden oft rassistisch, abwertend, entmenschlichend verwendet.
Das rote Kreuz kann als Alternative zum Hakenkreuz verwendet werden und ist in bestimmten Kontexten ein rechtsextremes Symbol.
Der Kugelschreiber kann ein Symbol für die Leugnung der Shoah sein. Er bezieht sich auf die Verschwörungstheorie, die Tagebücher von Anne Frank seien nicht echt.
Der Vampir wird als Symbol für Antisemitismus verwendet.
Rechtsextreme bezeichnen diejenigen als Schaf, die nicht an Verschwörungstheorien glauben und der Politik nicht vollumfänglich misstrauen.
88 steht für den verbotenen Gruß „Heil Hitler”.
Das Adler-Emoji dient als Erkennungszeichen und zur öffentlichen Identifikation mit deutsch-nationalem oder rechtsextremem Gedankengut.
Diese drei Farben symbolisieren die ehemalige Reichsflagge.
Die wegschiebende Hand gemeinsam mit der LGBTQI* Flagge steht für Queerfeindlichkeit und Homophobie.
Die wegschiebende Hand gemeinsam mit einem religiösen Symbol symbolisiert Ablehnung für andere Religionen und Kulturen.
Mehr zu rechtsextremen Codes findet Ihr auch bei Gesicht Zeigen!.
Nein, soziale Medien sind wichtig und gehören längst zum normalen und „echten“ Leben dazu. Wer soziale Medien komplett verweigert, wird abgehängt und eventuell sozial isoliert. Social Media bietet Spaß, Unterhaltung, Alltagsinfos und Veranstaltungshinweise, auf die wir alle nicht verzichten müssen. Aber wir können trotzdem etwas tun:
- Fake News kommentieren und ggf. richtigstellen!
- Hate Speech melden!
- Und wie wäre es mit Love Speech statt Hate Speech? Hinterlasst positive Kommentare dort, wo Menschen Gutes tun!
Love Speech ist das Gegenteil von Hate Speech. Das Internet und vor allem auch die sozialen Medien sind voll von Hasskommentaren. Mit Love Speech, also positiven und wertschätzenden Kommentaren können wir gemeinsam einen freundlicheren und ausgewogeneren Umgangston in den sozialen Medien schaffen. Wir machen es Hatern schwieriger, indem wir wertschätzend und respektvoll sind. So sinkt auch die Akzeptanz für Hass und Hetze. Auch hiermit hat die Initiative Gesicht Zeigen! sich beschäftigt – bei Interesse, schaut gerne mal rein.
Gemeinsam für weniger Hate und mehr Liebe im Netz!
Beratungsstellen Hamburg
Hier haben wir ein paar Organisationen gesammelt, an die Ihr Euch wenden könnt, wenn jemand in Eurer Gruppe rechtsradikal ist oder wenn Euer Verband mit rechtsextremen Kommentaren auf Social Media umgehen muss:
- Hamburg vernetzt gegen Rechts: https://vernetztgegenrechts.hamburg/
- SHIFT – Beratung und Bildung gegen rechte Online-Radikalisierung: https://shift.hamburg/onlineradikalisierung/
- Anti Diskriminierungsbüro Hamburg: https://www.adb-hamburg.de/de
- Mbt – mobiles beratungsteam gegen rechtsextremismus hamburg: https://mobileberatunghamburg.de/
- Empower – Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt https://hamburg.arbeitundleben.de/politische-bildung/empower/
- Navi – Beratungsangebot in Hamburg zum Themenfeld Verschwörungsideologien, das Wege aus destruktiven Denkweisen aufzeigen möchte https://www.navi-hamburg.de/
- Hinweisstelle Hamburg – Geben Sie uns einen Hinweis auf antisemitische, rassistische und rechte Vorfälle. https://hinweisstelle-hamburg.de/
- Kurswechsel – Ausstiegsarbeit Rechts https://kurswechsel-hamburg.de/
- Perspektif:a – perspek’tif:a arbeitet zu (extrem) rechten Einstellungen in postmigrantischen Communitys https://www.perspektifa.de/
Mehr dazu, warum sich der BDKJ bundesweit gegen Rechtsextremismus einsetzt, findet ihr beim BDKJ Bundesverband im Beschluss „Aus christlicher Überzeugung für Demokratie! Wir zeigen klare Kante gegen die extreme Rechte und rechten Populismus„.