Nach der heutigen Veröffentlichung des Gutachtens der Kanzlei Gercke und Wollschläger haben wir mit Spannung die Reaktion unseres Erzbischofs erwartet. Seine Entscheidung, Papst Franziskus seinen Amtsverzicht anzubieten, erscheint uns in dieser Situation als angemessener Schritt, dem wir unseren höchsten Respekt zollen und dessen Notwendigkeit wir sehr bedauern.
Als die katholischen Jugendverbände im Erzbistum Hamburg vor einigen Wochen im Rahmen ihres Beschlusses „Es reicht! Wir fordern Konsequenzen aus dem Umgang unserer Kirche mit den Missbrauchsfällen und den Betroffenen“ forderten, Erzbischof Heße möge aus Verantwortung heraus sein Amt vorerst ruhen lassen, war dies mit der großen Hoffnung verbunden, dass sich die Vorwürfe mit der Veröffentlichung der Studie klären ließen. Wir bedauern sehr, dass das heutige Gutachten ein anderes Ergebnis geliefert hat und nun diesen Schritt der konsequenten Verantwortungsübernahme notwendig gemacht hat.
Die weiteren Ergebnisse
Mit Blick auf das Gesamtgutachten sind die Ergebnisse einerseits schockierend und bestätigen andererseits nur unsere Befürchtungen. Angesichts der Tatsache, dass bei diesem Gutachten nur auf Basis der vorliegenden Akten gearbeitet werden konnte, ist davon auszugehen, dass das wirkliche Ausmaß sexualisierter Gewalt in unserer Kirche noch viel größer ist. Der systeminhärente Charakter der Vorgänge lässt uns auch befürchten, dass sich derartige Pflichtverletzungen nicht allein auf das Erzbistum Köln beschränken, sondern in nahezu allen deutschen Bistümern zu erwarten sind. Dies bestätigt unsere Forderung, dass sich das Erzbistum Hamburg bei der Deutschen Bischofskonferenz dafür einsetzen soll, das sämtliche relevanten Archive in allen deutschen Bistümern und Orden für entsprechende Aufarbeitungen geöffnet werden.
Das Gutachten zeigt uns auf, dass die Bestrebungen des synodalen Wegs in der Kirche, Machstrukturen aufzubrechen und in großem Maße Transparenz zu schaffen, unerlässlich sind. Es zeigt auch sehr deutlich die Bedeutung von Präventionsarbeit von sexualisierter Gewalt auf allen Ebenen auf. Insgesamt ist das Gutachten ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg der Aufarbeitung. Gleichzeitig demonstriert es, wieviel Arbeit noch vor uns liegt. Denn eine umfassende Aufarbeitung kann sich nicht allein auf die Aktenlage beschränken und muss die Betroffenen miteinbeziehen, die von uns als Kirche viel zu lange an den Rand gedrängt wurden.