Beschluss der BDKJ-Diözesanversammlung 2019
Kinderschutz und Prävention von sexualisierter Gewalt in den Jugendverbänden des BDKJ in der Erzdiözese Hamburg
I. Einleitung
Das gemeinsame Ziel im BDKJ besteht darin, Mädchen und junge Frauen, Jungen und junge Männer in ihrer personalen und sozialen Entwicklung und beim Entdecken, Formulieren und Vertreten ihrer spezifischen und gemeinsamen Interessen zu fördern. Dieses Ziel verwirklicht sich in der Erfahrung von Glaube und Freiheit, von Autonomie und Solidarität, in der Übernahme von Verantwortung, der Mitgestaltung der Kirche und im Einsatz für eine menschenwürdige Gesellschaft.*
Die Jugendverbandsarbeit in unserer Erzdiözese lebt von vertrauensvollen Beziehungen untereinander. Kirchliche Jugendverbandsarbeit stellt vielfältige Räume und Erlebnisfelder zur freien Entfaltung bereit, in denen junge Menschen sich ausprobieren und ihre Selbstwerdung bewusst und kreativ gestalten können. In unseren Verbänden unterstützen wir Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und gehen gemeinsam auf die Suche nach Antworten auf Lebens- und Glaubensfragen. Kinder und Jugendliche können so ihre eigenen Grenzen testen, erfahren und erweitern. Gleichzeitig lernen sie innerhalb der Gruppe, die individuellen Grenzen anderer zu respektieren. Damit folgen wir einer langen Tradition: Kinder und Jugendliche in ihren Bedürfnissen und Ängsten ernst zu nehmen, sie in der Wahrnehmung ihrer Rechte zu bestärken, ihre Charismen und Talente zu fördern, sie zu respektieren und zu ermutigen und im Glauben zu stärken ist seit jeher konstituierender Teil von katholischer Jugendverbandsarbeit, mit je eigenen Profilen in den Mitgliedsverbänden des BDKJ Hamburg.
Das verbandliche Leben wird von jungen Menschen selbst organisiert, gemeinschaftlich gestaltet und in basisdemokratischen Strukturen ehrenamtlich geleitet und verantwortet. Kinder und Jugendliche lernen, sich einzubringen, sich zu beteiligen und Entscheidungen zu treffen. Wir motivieren sie, selbstbewusst und selbstbestimmt für sich und andere Verantwortung in Kirche, Politik und Gesellschaft zu übernehmen.
Hierfür braucht es Rahmenbedingungen, die einen möglichst geschützten Lebens- und Lernort gewährleisten. In der Jugendverbandsarbeit im Erzbistum Hamburg qualifizieren sich ehrenamtliche Leitungen sowohl nach innerverbandlichen Bildungskonzepten als auch verbandsübergreifend in Kursen und Fortbildungen für ihre Aufgaben. Die sich stetig verändernde Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen erfordert eine kon-tinuierliche Weiterentwicklung der Qualifizierung der Ehrenamtlichen sowie die Anpassung der Rahmenbedingungen. Diese Prozesse in den Jugendverbänden sind stets geprägt von einem hohen Anspruch an Selbstreflexion und an die eigene Arbeit insgesamt.
In den Jugendverbänden geht es auch darum, auszuprobieren, eigene Erfahrungen zu sammeln und auch Fehler machen zu dürfen, um aus diesen zu lernen.
Der BDKJ in der Erzdiözese Hamburg sieht seine Aufgabe darin, sich für die Schaffung und den Erhalt dieser Rahmenbedingungen einzusetzen.
II. Kinder und Jugendliche stärken ist Teil von Prävention
Kinder und Jugendliche entfalten ihre Persönlichkeit, lernen ihre Grenzen kennen und sich selbstbewusst zu artikulieren. Sie nehmen sich als eigenständige Personen mit eigenem Willen wahr und werden als solche ernst genommen. So wachsen sie zu selbstständigen Menschen heran. Damit leisten die katholischen Jugendverbände sowohl durch ihre partizipativen Strukturen als auch durch ihre ganzheitliche Pädagogik einen großen Beitrag zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen. Dies ist bereits ein wichtiger Teil von präventiver Arbeit.
Daneben gilt es, die ehrenamtlich und hauptberuflich Engagierten und Leitungen für präventive Arbeit zu sensibilisieren und auszubilden. Dies ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten Kinder und Jugendliche vor seelischem und körperlichem Schaden durch jegliche Formen von Grenzverletzungen schützen können. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen hat höchste Priorität im BDKJ und seinen Mitgliedsverbänden in der Erzdiözese Hamburg. Diese Priorität findet seit langem schon Niederschlag in den Satzungen, Leitbildern und Selbstverständnissen der Jugendverbände. Im Rahmen der Ausbildung für Jugendleiterinnen und Jugendleiter sind die Themen Kinderschutz und Prävention von sexualisierter Gewalt verbandsübergreifend bereits Voraussetzung für die Vergabe der bundeseinheitlichen Jugendleitercard.
III. Freiräume ja – grenzenlos nein!
Der BDKJ und seine Mitgliedsverbände in der Erzdiözese Hamburg treten entschieden dafür ein, Mädchen und Jungen, junge Frauen und Männer vor Grenzverletzungen und sexuellen Übergriffen zu schützen und den Zugriff auf Kinder und Jugendliche für Täter und Täterinnen in den eigenen Reihen so schwer wie möglich zu machen. Ein Bewusstsein und eine Offenheit für das Thema kann nur geschaffen werden und Sensibilisierung stattfinden, wenn transparent und tabufrei über Nähe und Distanz, Sexualität, verbale und körperliche Grenzverletzungen, sexualisierte Gewalt, sowie ihre Ursachen, Formen und Auswirkungen auf Betroffene gesprochen werden kann und aufgeklärt wird.
Uns ist bewusst, dass wir in unserem Arbeitsfeld besondere Verantwortung tragen. In den Jugendverbänden schaffen wir Freiräume, damit junge Menschen ihre Grenzen testen können. Dies ist eine wichtige Erfahrung in der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Zum Testen von Grenzen gehört manchmal auch, an diesen zu rütteln. Daher sind die wichtigen Freiräume in der Jugendverbandsarbeit eingebettet in unsere Haltung, basierend auf dem christlichen Menschenbild. Wir achten und respektieren die Persönlichkeit und Würde unserer Mitmenschen. Dementsprechend sind die Arbeit und das Engagement aller in den Jugendverbänden Tätigen von gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen geprägt.
Wir setzen uns in unseren Verbänden und in unserer Erzdiözese ein
- für eine offene und transparente Auseinandersetzung rund um das Thema Sexualität und sexualisierte Gewalt,
- für eine offene und transparente Kommunikation auf allen Ebenen der Diözese, die Beratung, Austausch von Erfahrungen und Reflexion ohne negative Konsequenzen ermöglicht,
- für eine professionelle Beratung und Unterstützung durch kompetente externe Fachberatungsstellen.
Wir verpflichten uns,
- sexualpädagogische Inhalte und Methoden zielgruppen- und bedürfnisorientiert (geschlechtsspezifisch und altersangemessen) für unsere konkrete Jugendver-bandsarbeit und die Jugendleiterausbildung zu entwickeln, anzuwenden und kontinuierlich zu überprüfen.
- Prävention von sexualisierter Gewalt noch stärker als bisher in der Qualifizierung von ehrenamtlichen Jugendgruppenleitungen in den Verbänden zu thematisieren.
Wichtige Ziele der Qualifizierungsmaßnahmen sind für uns, über sexualisierte Gewalt aufzuklären und dass die Ehrenamtlichen über den Themenkomplex eine eigene Sprachfähigkeit erwerben. Neben der Stärkung der Engagierten in ihrer Vorbild- bzw. Leitungsfunktion muss auch die in dieser Funktion liegende Verantwortung thematisiert werden.
Als Reflexionsinstrument und zur Verdeutlichung des gemeinsamen und überverbandlichen Selbstverständnisses sehen wir die Unterzeichnung eines ge-meinsamen Verhaltenskodex (bzw. einer persönlichen Erklärung) an, der Ausdruck einer verbindlichen pädagogischen Grundhaltung und eines christlichen Menschenbildes ist. Durch die Unterschrift machen sich die Engagierten, im Anschluss an ihre Schulung, nochmals ihre Rolle und ihre Haltung bewusst und verpflichten sich dazu, das ihnen von Kindern und Jugendlichen entgegengebrachte Vertrauen nicht auszunutzen, sondern aktiv für deren Schutz und eine Kultur der Grenzachtung einzustehen. - wo noch nicht geschehen, auf der BDKJ-Diözesanebene und in den Mitgliedsverbänden für den Krisenfall bei Bekanntwerden von Grenzüberschreitungen bzw. bei Verdacht oder Hinweis auf solche, mit professioneller Unterstützung durch Fachberatungsstellen entsprechende Krisenleitfäden zu entwickeln. Diese werden mit den gesetzlich vorgeschriebenen Abläufen im Erzbistum Hamburg abgestimmt und im eigenen Verband und gegenüber dem Bistum transparent gemacht.
- auf der BDKJ-Diözesanebene und in den Mitgliedsverbänden ein Beschwerdemanagement zu haben, auch zur Klärung von Verdachtsfällen. Klare Strukturen und Verfahrenswege tragen zu einem transparenten Umgang bei.
Dazu gehört die Benennung von Personen, an die sich jede und jeder vertrauensvoll wenden kann, wenn es einen konkreten Vorfall gibt, ein Verdacht oder ein ungutes Gefühl vorliegen. Sie sind besonders qualifiziert und damit in der Lage, adäquat zu reagieren und die Sachlage zu prüfen.
Es bedarf auch einer Regelung, wie ein zu Unrecht beschuldigter Mensch rehabilitiert wird. Dies ist im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit besonders wichtig, weil das Beziehungsgeflecht sehr eng ist. Ein sensibles Verfahren und eine Kultur des offenen und wertschätzenden Miteinanders ermutigt Kinder und Jugendliche, Jugendleiterinnen und Jugendleiter, sich mit all ihren Anliegen an Menschen ihres Vertrauens zu wenden. Es darf nicht der Eindruck herrschen, dass die Äußerung eines Verdachtes oder auch nur eines unguten Gefühls eine nicht rückgängig zu machende Stigmatisierung zur Folge hat.
Wir begrüßen
- grundsätzlich die Bestrebungen in der Erzdiözese, ein gemeinsames Präventionskonzept für alle diejenigen zu erarbeiten, die mit Kindern und Jugendli-chen arbeiten, denn wir teilen die Sorge um das Wohl der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Als katholische Kinder- und Jugendverbände beteiligen wir uns konstruktiv mit unserer Kompetenz und unseren Haltungen in Bezug auf die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen sowie ehrenamtliches Engagement an diesem Prozess. Diese Positionierung ist Teil unseres Beitrags in der Auseinandersetzung um eine verantwortliche und angemessene Präventionsarbeit, die vorrangig der Sache, nämlich dem Schutz von Kindern und Jugendlichen in unserer Kirche, dienlich ist.
*Grundsatzprogramm des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ)
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