Es ist Zeit, sich der Machtfrage zu stellen! Mitbestimmung erfahrbar machen
Beschluss der BDKJ-Diözesanversammlung 2019
Kinder und Jugendliche sind keine kleinen Erwachsenen, die wohl behütet von den Großen aufgezogen werden. Sie haben eigene Bedürfnisse, Interessen und vor allem Rechte! Seit dreißig Jahren legt die UN-Kinderrechtskonvention die spezifischen Rechte (auf Schutz, Partizipation und Förderung) von Kindern fest weltweit fest.
Weil die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen sehr vielfältig sind, sind sie auch am ehesten Expert*innen ihrer selbst. Doch nach wie vor nehmen sie viel zu selten einen entsprechenden Raum als Akteur*innen ihrer Lebenswelt oder der Gesellschaft ein und bleiben somit häufig ohne Einfluss auf ihre eigene Situation.
Partizipation hat viele Stufen
Mitbestimmung findet erst dann statt, wenn Beteiligung auf Entscheidungen Einfluss nimmt. Wirkliche Partizipation geht über Anhörung und Einbeziehung hinaus, sie verlangt Entscheidungskompetenz und Mitbestimmung. Es ist wichtig, dass die Beteiligung verbindlich ist und in Strukturen fest verankert wird.
Es liegt an uns Kinder und Jugendliche zu beteiligen
Es ist nicht nur eine gesetzliche Aufgabe von Jugendverbänden junge Menschen an Prozessen partizipieren zu lassen, sondern Kinder und Jugendliche wollen auch beteiligt werden. Sie wollen Entscheidungsprozesse mitgestalten und Verantwortung tragen. Vor allem aber können sie es auch. Es liegt an uns, unsere jüngeren Mitglieder in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und noch stärker mitentscheiden zu lassen. Kinder und Jugendliche müssen hierzu ernst genommen, ihnen zugehört, ihnen Entscheidungsspielräume gegeben, sie in ihrer Meinungsbildung unterstützt werden und ermutigt werden sich einzubringen.
Kinder und Jugendliche stark machen!
Kinder und Jugendliche haben ein sensibles Gespür dafür, was sie stört, und haben eine eigene Sichtweise darauf, wie unsere Gesellschaft sein soll. Damit sie ihre Interessen und Bedürfnisse äußern können und wollen, müssen wir ihnen Möglichkeiten schaffen, sich mit ihren Anliegen, Sorgen, Vorschlägen und Kritik zu melden. Dafür brauchen Sie eine Atmosphäre, die sie ermutigt und befähigt partizipative Strukturen zu nutzen.
Indem wir Kinder und Jugendliche stark machen, schützen wir sie. Die MHG-Studie führt uns am Beispiel unserer Kirche vor Augen, dass stark hierarchisch, machtvolle Strukturen Miss-bräuche begünstigen. Die vielen Missbrauchsfälle von Klerikern sind uns eine Verpflichtung, in einen kirchenpolitischen Diskurs einzutreten, in den wir uns für Verankerung von partizipativen Strukturen für Kinder und Jugendliche einsetzen.
Konsequente Beteiligung – Mitbestimmung als Demokratie der Lebensform
Es sind die Mitglieder, die Kinder und Jugendlichen sowie junge Erwachsene, die ihre Jugendverbände gestalten. Indem wir jungen Menschen ermöglichen, Eigenverantwortung zu übernehmen, gemeinsam Beschlüsse zu fassen und unsere Verbände zu gestalten, bieten wir einen Raum für selbstwirksame, unmittelbare Demokratieerfahrungen. Doch auch wenn Strukturen und der Anspruch katholischer Jugendverbände eine gute Grundlage für die Beteiligung junger Menschen bieten, stellen wir fest, dass Kinder und Jugendliche unter 16 nur in Ansätzen Einfluss auf die Abläufe ihrer Gruppenstunde, ihrer Freizeit oder ihres Verbandes nehmen können. Die jüngeren Mitglieder miteinzubeziehen, scheint allzu oft daran zu scheitern, dass Partizipation auf den ersten Blick sehr aufwändig erscheint. Gelebte Partizipation erweckt schnell die Furcht vor einem ver-meintlichen „Kontrollverlust“ – schließlich lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, was am Ende herauskommt.
Demokratische Partizipation darf nicht nur in Gremienstattfinden. Kinder und Jugendliche müssen Einfluss auf ihren (Verbands)alltag nehmen können. Dafür müssen Beteiligungsräume im Alltag fest verankert werden. Hierzu müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die auf Kontinuität setzen und eine lebendige Beteiligungskultur ermöglichen. Durch das gemeinsame Aushandeln und Verantwortung tragen werden wir zu Orten, an denen Partizipation unmittelbar erfahrbar sind.
Mutig sein! Sich der Machtfrage stellen
Wenn wir Mitbestimmung ernst nehmen wollen, müssen wir Kindern und Jugendlichen auf Augenhöhe begegnen und ihnen ein gleichwertiges Stimmrecht gewähren. Das ist eine Machtfrage! Schließlich wird Verantwortung und „Macht“ von der jeweiligen Leitung auf Kinder und Jugendliche übertragen. In unseren Bundesverbänden gibt es Überlegungen, wie Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen ermöglicht werden kann. Formate wie die Kinderstadt oder Kinderkonferenzen zeigen, dass eine Beteiligung und Gestaltung von Kindern und Jugendlichen und eine teilweise Machtabgabe möglich und förderlich ist!
Demokratische Partizipation sehen wir als selbstverständlich an. Deswegen wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass Kinder und Jugendliche in unseren Strukturen von Anfang an ihre eigenen Sichtweisen einbringen können und Jugendverbandsarbeit auf Au-genhöhe mitgestalten. In den nächsten drei Jahren werden wir uns intensiv mit dem Thema Partizipation und Mitbestimmung befassen und evaluieren diesen Prozess im Anschluss.
Der Diözesanvorstand organisiert einen Workshop/Fachtag zum Thema Kinder- und Jugend-beteiligung und dokumentiert die Ergebnisse. Außerdem erstellt er einen Pool an Arbeitshilfen und Methoden und stellt diesen den Jugend-verbänden zur Verfügung.
Der Hauptausschuss wird sich regelmäßig und im Rahmen eines Klausurwochenendes mit dem Thema befassen. Dazu hat er die Möglichkeit Interessierte und Expert*innen aus den Jugendverbänden einzuladen, um die Möglichkeiten eines kollegialen Austausches anzubieten und daraus Ideen zur Weiterarbeit zu entwickeln. Um eine niedrigschwellige Kommunikation über Methoden und Best Practice Modelle unter den Jugendverbänden zu ermöglichen, verständigt sich der Hauptausschuss auf ein gemeinsames Hashtag zu Mitbestimmung.
Die Jugendverbände reflektieren, inwiefern ihre Strukturen und Arbeitsweisen Partizipa-tion ermöglichen. Sie probieren unterschiedliche Methoden aus und teilen ihre Erfahrungen untereinander. Um diese unmittelbar zu kommunizieren und eine höhere Verbreitung zu erreichen, greifen sie auch auf das im Hauptausschuss vereinbarte Hashtag zurück.
Einstimmig beschlossen am 10.02.2019.